Der Sieg, Freunde, ist ein Sieg über uns selbst.
Ein Sieg gegen die Dunkelheit in jedem von uns, die uns zwingt, gegen Feinde zu kämpfen.
Wir müssen uns zusammen tun, und auf den Tag hinarbeiten, an dem der wahre Sieg bedeutet,
daß wir keine Feinde mehr haben.

(Captain Dylan Hunt )* - in der ersten Folge der Fernsehserie "Andromeda" - nach Gene Rodenberry)

Schlimme, neue Welt?

Das Eintreten des Bündnisfalls der NATO legt noch nicht automatisch fest, wie sich die BRD beteiligen wird. Die Politiker hoffen, die Zustimmung zu etwaigen Beteiligungen wäre diesmal höher als in Jugoslawien. Hiermit tue ich öffentlich kund: Ich stimme nicht zu. Warum? Ich kenne kein Konzept einer Handlung, die politisch irgend einen anderen Sinn hätte, als direkte Rache zu verüben. So verständlich dieses Wollen menschlich ist - politisch darf es nicht zur Motivation werden, sonst ist der Kreislauf der Gewalt nicht mehr aufzuhalten.

Was kann getan werden?

  1. Das eventuelle Schlupfloch des eventuellen Drahtziehers könnte bombardiert/militärisch angegriffen werden: Dies hat so gut wie keine Erfolgsaussichten (siehe die erfolglose Bombardierung Iraks gegen Hussein) und ruft mit Sicherheit ebenfalls zivile Opfer hervor. Das Hinterland, das Bedrohungspotential der Terroristen könnte angegriffen werden. Auch hier sehe ich den politisch-militärischen Sinn nicht ein. Wir haben in Jugoslawien gesehen, wie wenig "treffsicher" auch die besten High-Tech-Waffen sind. Die "Basen" sind nicht isolierbar vom Lebensgebiet vieler unschuldiger Menschen. Die Angriffe könnten auch insgesamt dem Staat gelten, der die Terroristen unterstützt. Dies ist meiner Meinung nach auch eine Vorwandsbehauptung, denn eine solche Unterstützung wird nie eindeutig nachweisbar sein - und sogar wenn: die unschuldige Zivilbevölkerung, die dabei getroffen wird, macht das Ziel, die "Zivilisation und Demokratie zu verteidigen" zur Farce. Wenn nach Umfragen 2/3 der USA-Bürger auch dann für Vergeltungsschläge sind, wenn dabei Unschuldige getötet werden ("junge welt" 14.9.01), so ist dies zwar nachvollziehbar, aber gerade kein Beweis für die vielbeschworene "Zivilisiertheit". Gelöst wäre auch bei militärisch erfolgreichen Aktionen überhaupt kein Problem - im Gegenteil: der Haß würde sich immer weiter ausbreiten und die letzte Glaubwürdigkeit von "Zivilisation und Demokratie" würde dahinschwinden. Als notwendige Konsequenz der Attentate wird auch diskutiert, daß in Zukunft die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten im Völkerrecht nicht mehr tabu sein dürfe: Diktatoren/Terroristenführer müssten von außen unschädlich gemacht werden können. Nein, und nochmals nein! Das öffnet einer Politik Tür und Tor, in der jede beliebige Regierung zu solchen Feinden gestempelt werden kann - die "beweisenden Tatsachen" dafür wurden oft genug fabriziert. Da die Ursachen für die Probleme durch die militärische Besetzung von außen nicht gelöst werden können (siehe Kosovo...), wäre diese Option sowieso nur der Beginn der allgemeinen Weltherrschaft der "Zivilisierten und Demokratischen" über alle anderen. Daß in bestimmten Ländern und in bestimmten Situationen Diktatoren zur Macht kommen und Terroristen unterstützt werden, hat tiefere weltpolitische Ursachen, die in Betracht gezogen und beseitigt werden müssen.

  2.  
  3. Abgesehen vom unmittelbaren militärischen Gegenschlag, den ich ablehne, lehne ich auch die mittlerweile oft genannte Konsequenz der Attentate ab, die militärische und geheimdienstliche Sicherheit auszubauen. Daß Militär und Geheimdienste gegenüber den Anschlägen so hilflos waren, liegt nicht daran, daß sie einige Dutzende Milliarden Dollar zu wenig zur Verfügung hatten. Es liegt daran, daß diesem Problem überhaupt nicht militärisch oder geheimdienstlich wirkungsvoll begegnet werden kann. Kein Sicherheitsexperte hat bisher sagen können, wie mit mehr Geld diese Anschläge hätten verhindert werden können. Aber alle Sicherheitsexperten, die ich gehört habe, haben gesagt, so ein Anschlag sei prinzipiell nicht gänzlich sicherheitstechnisch verhinderbar. Zugangssperren zum Cockpit, stärkere Kontrollen an Flughäfen, mitfliegende kampfgeschulte Sicherheitsleute mögen Sinn machen und berechtigt sein. Statt einer allgemeinen Aufrüstung wären für die unmittelbare und direkte Bedrohung intelligente Konzepte zu entwickeln - wie sie vielleicht im Geheimen ausgedacht werden. Wichtiger wäre für mich aber ein zivilgesellschaftliches Lernen. Die Menschen können und müssen sich gegen eventuelle Bedrohungen direkt und unmittelbar schützen (wie auch in einem Flugzeug wohl die Insassen verhindert haben, daß ihr entführtes Flugzeug als Waffe gegen ein anderes Objekt eingesetzt werden sollte). Gerade die Orientierung auf Geheimniskrämerei ist die falsche Richtung. "Wehrhafte Demokratie", wie sie jetzt beschworen wird, besteht nicht in der Erweiterung der Macht von Sicherheitsorganen gegen potentiell alle Menschen, sondern in einer qualitativen Veränderung des Inhalts der Demokratie selbst: Selbst-Organisierung der Menschen auf allen Ebenen: Sicherheitspolitisch, politisch, ökonomisch.

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  5. Statt der Logik der Spirale der Gewalt ist es notwendig, statt der NATO die UNO zu bemühen, wenn es um allgemeine Sicherheitsfragen geht. Die Alternativen zum realisierten Vorgehen werden im allgemeinen verschwiegen: die NATO hätte sich auch an den Weltsicherheitsrat der UNO wenden können. Wenn die UNO als "zu schwach" und ungeeignet angesehen wird - wieso kann dann diese Institution nicht gestärkt werden? Es fehlt nur der Wille dazu.

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  7. Da die weltweit agierenden Terroristen fast ausschließlich einst von einer starken Unterstützung der "zivilisierten und demokratischen" Staaten gegen ihre "Feinde" profitierten, ist ein sofortiger Stopp der Unterstützung aller "Rebellen", "Contras" usw. in der ganzen Welt notwendig. Das Verbot von Waffenexporten muß sofort durchgesetzt werden (die BRD ist drittstärkster Waffenexporteur der Welt).

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  9. Die Bundesregierung beschäftigt sich überproportional (mit "Hunderten von Seiten") mit militärischer Konfliktbearbeitung - jedoch nur mit einem zweiseitigen (!) Papier mit Krisenprävention (Dr. Gießmann vom Hamburger Friedensforschungsinstitut in "Neues Deutschland" 14.09.01). Allein diese Tatsache zeigt, daß die Kräfte einseitig auf eine "Politik der Stärke" konzentriert werden, und aus dieser Tatsache folgt auch, daß über mögliche zivile Konfliktbearbeitung so wenig Wissen vorhanden ist, daß es scheint, als gäbe es keins. Dies ist aber ein Irrtum und ein verhängnisvoller Fehler.

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  11. Ich lehne die ganze Richtung der Diskussion ab, die nur gegen unmittelbar vorhandene Gefahrenursachen gerichtet ist und nicht tiefere Gründe beleuchtet und als Handlungsgrundlage benutzt:
    • Armut, Not, Verfolgung, Ausbeutung müssen weltweit abgeschafft werden (die Welt ist längst reich genug: allein die Guthaben der drei reichsten Männer der Welt würden dazu ausreichen). Aber es geht nicht nur um die Guthaben der Reichen:
    • Dies ist strukturell nur möglich, wenn auch die herrschende Weltwirtschaftsordnung mit ihrer strukturellen globalen Gewaltausübung beendet wird.
    • Menschen auf der ganzen Welt müssen ihre eigene politische Lebensform selbst bestimmen können ("Freie Menschen in Freien Vereinbarungen") - gegen eventuelle Diktatoren aus den eigenen Kreisen - aber auch gegen die Zumutung, daß sie "Zivilisation und Demokratie" der mächtigen kapitalistischen Länder aufgezwungen bekommen sollen.
Die gegenwärtig favorisierte "Politik der Stärke" stärkt nicht nur etwa auch die tieferen Grundlagen für die destabilisierte weltpolitische Lage, sondern sie ist auch deshalb kontraproduktiv, weil sie auch auf der psychologischen Ebene die Ursachen für Haß und Gewalt nur weiter schüren. Das ist die Befriedigung der Rachebedürfnisse der Betroffenen nicht wert. Das Gegenteil der "Politik der Stärke" wäre nicht eine "Politik der Schwäche", sondern eine Politik des Umsteuerns der Weltpolitik. Das werden aber nicht die Politiker tun...

Neue Kommentare

Der Selbstmord-Attentäter ist die logische Fortsetzung des ganz normalen Konkurrenz-Individuums unter den Bedingungen der sozialen Aussichtslosigkeit." (Robert Kurz in "Neues Deutschland" 14.09.01)

"... das Verbrechen ist ein Geschenk für die chauvinistische, hurrapatriotische Rechte, für alle jene, die nur darauf warten, Gewalt einsetzen zu können um ihre Interessen zu schützen." (Noam Chomsky, in "junge welt", v. 14.09.01).

"Dies ist nicht der Krieg der Demokratie gegen den Terror, was der Weltöffentlichkeit in den nächsten Tagen glaubhaft gemacht werden soll. Vielmehr geht es hier um amerikanische Raketen, die ein palästinensisches Haus zerstören, es geht auch um US-Hubschrauber, die 1996 Raketen auf libanesische Krankenwagen abfeuerten, und es geht um amerikanische Raketen, die im Dorf mit dem Namen Qana einschlugen, und es geht um libanesisch-christliche Milizen, die - von Amerikans israelischem Verbündeten bezahlt und uniformiert - sich hackend, raubend, vergewaltigend und mordend ihren Weg durch Flüchtlingslager bahnten. Und es geht noch um viel mehr." (Robert Fisk, nach "junge welt", 14.9.01)

"Der nicht bloß friedfertige Widerstand gegen die Unterdrückung der Ohnmächtigen durch die Mächtigen wird am allermeisten von denjenigen diskriminiert, die ihr eigenes Gewaltmonopol wortreich legitimieren und skrupellos exekutieren." (Hermann Klenner, Neues Deutschland, 14.09.01).

"Solange die Großmächte Völkermord, Kriegsaggressionen und Okkupationen zulassen (dulden, erlauben, selbst begehen) oder bei anderer Interessenlage mit ihrer militärischen und Wirtschaftsgewalt ahnden, und solange sie sich dabei, wiederum je nach ihrer eigenen Interessenlage, ans Völkerrecht halten oder auch nicht, solange ist mit dem fundamentalsten aller Rechtssätze, dem Gleichheit vor dem Gesetz, das Gesetz selbst suspekt." (Hermann Klenner in einer Rezension zu: Norman Paech/Gerhard Stuby: Völkerrecht und Machtpolitik in den internationalen Beziehungen. In: Neues Deutschland, 14.09.01)

"Nur als Kooperationsrecht gleichberechtigter Subjekte und als konsensgebundene Rechtsordnung einer demokratisch gestalteten, also nicht hegemonial dominierten Staaten- und Konfliktordnung wird das Völkerrecht eine sichere Zukunft haben." (Hermann Klenner in einer Rezension zu: Norman Paech/Gerhard Stuby: Völkerrecht und Machtpolitik in den internationalen Beziehungen. S. 871 In: Neues Deutschland, 14.09.01)

Hier weitere Einschätzungen von mir zu diesem aktuellen Thema: )* Bild von Dylan Hunt (Kevin Sorbo) aus dem Fanzine des TCE (Terranischer Club Eden)

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