Neue Arbeit

siehe auch hier
1. Situation
1.1. Zahlenmäßig

In der BRD nahm die Anzahl der Beschäftigten ab, jedoch die Erzeugung von Produkten und die Zahl der Erwerbslosen stieg an:

Jahr Beschäftigte Produkte im Wert v. Erwerbslose
1991 36,5 Mio 2854 Mrd. DM 2,6 Mio
1997 34,1 Mio 3134 Mrd. DM 4,3 Mio

Im Dienstleistungssektor sind noch Rationalisierungsreserven von bis zu 74% möglich (Prof. Bonß nach Liebers 1997). Unternehmensberater setzen voraus: "Wenn Sie die Produktion auf schlanke Techniken umstellen, können Sie die menschliche Arbeit um die Hälfte reduzieren. Eliminieren Sie gleich am Anfang diejenigen Jobs, die nicht erhalten werden können." (Womack und Jones nach Hoch, 1997) In gewissem Sinne endet damit die Arbeitsgesellschaft, die die moderne bürgerliche Gesellschaft seit Jahrzehnten prägte. J. Rifkin beschreibt "Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft" auf der Grundlage der dramatischen Entwicklung der technischen Produktionsmittel, die zu massenhafter Arbeitsplatzvernichtung führt. Nicht alle sehen die Situation so. H. Nick z.B. meint: "Irrige Gedanken erlangen oft Berühmtheit - sobald man sie mit erfundenen Zahlen belegt...Die Linken sollten die Zuversicht aufbringen, Produktivitätsfortschritt als Fortschritt zu begreifen... Und die Arbeit und das Menschenrecht auf Arbeit hochhalten!" (Nick 1997) Warum sollen wir das eigentlich?
Eine seltsame Sucht beherrscht die Arbeiterklasse aller Länder, in denen kapitalistische Zivilisation herrscht, eine Sucht, die das in der modernen Gesellschaft herrschende Einzel- und Massenelend zur Folge hat. Es ist dies die Liebe zur Arbeit, die rasende, bis zur Erschöpfung gehende Arbeitssucht. Paul Lafargue
Keynes 1930: "Ökonomische Möglichkeiten für unsere Enkelkinder": Drei-Stunden-Schichten   D. Dante hat mit Zahlen von 1988 nachgewiesen, daß wir mit dem gleichen Luxus und Lebensstandard wie 1989 nur 5 Stunden Arbeit pro Woche leisten brauchen:

 

jetzt:

40 Stunden pro Woche

Abzug aller geldwirtschaftlichen Tätigkeiten (- 12,43 h)
Abzug geldwirtsch. Tät. in anderen Bereichen (- 8,97 h)
Arbeitseinsparung durch langlebige Güter (- 6,2 h)
Einsparung durch andere Strukturen
Beenden der Energieverschwendung
Einbeziehen aller Arbeitswilligen
Vollautomatisierung
27,57 h bleiben
18,6 h bleiben
12,4 h bleiben
10,08 h
9,78 h
6,89 h
4,91 h
 

1.2. Qualitativ
Aber bisher ist nicht etwa die Erfüllung von Bedürfnissen das Ziel aller Produktion, sondern die des nachfragefähigen "Bedarfs" - was den Wirtschaftskreislauf nicht um die Bedürfnisse, sondern den mehrwertheckenden Wert zentriert. Deshalb werden die überreich produzierten Güter (Milchseen, vernichtete Computer...) nicht einfach verteilt und auf diese Weise die Menschen vom Zwang zur lebenslangen 40-Stundenwoche befreit - sondern der Mythos "Wer nicht (genug) arbeitet, darf nicht essen" wird aufrecht erhalten und statt der Erwerbslosigkeit werden die Erwerbslosen bekämpft.   Anstatt daß die Staaten angesichts der ökonomischen "Globalisierung" bedeutungslos werden, erhalten sie verstärkt die Hauptaufgabe der "Regulierung , Disziplinierung, Schikanierung der Armen." (Veerkamp 1997, S. 26). Das funktioniert in der bürgerlichen Demokratie zumindest so lange, wie die Menschen diese Arbeitszentriertheit akzeptieren und die Arbeitenden gegen die Erwerbslosen und die Erwerbslosen gegen sich selbst aufgebracht werden. Auch im Bereich der Arbeit selbst steigt das Maß der Selbstausbeutung. In der 1/5-Gesellschaft haben 10 bis 20% aller Arbeitskräfte einigermaßen langfristige Arbeitsverträge -immer öfter aber nur als als "Just-in-time-Beschäftigte" (Rifkin). Alle müssen zu "Unternehmern ihrer eigenen Arbeitskraft" werden. Ständiger Streß und Selbstausbeutung widersprechen den gesellschaftlichen Möglichkeiten ( nur 5 Stunden wären nötig!) eklatant. Es werden ca. 750 000 Scheinselbständigkeiten geschätzt. Insbesondere im Bereich der modernen Medien- und Kommunikationsindustrie verschwimmen Arbeit und Freizeit. Die 80 Stunden behaupteter "Fun-Arbeit" fressen die gesamten Kräfte (Terkessidis 1997). Wer sich als "Unternehmer seiner Arbeitskraft" nicht bewährt, wird bestenfalls im "ABM-Kaninchenstallprogramm" (Grottian 1997b) aufbewahrt oder zu Zwangsarbeit verpflichtet (sog. "gemeinnützige Arbeit", die für alle Sozialhilfeempfänger gegen ein Almosen "zumutbar" ist). Diese "unglaubliche Verschwendung menschlicher Arbeitskraft und Talente" müßte von Bürgerbewegten ebensosehr angeprangert werden wie der Raubbau an der Natur (Bergmann nach rauh 1995).  

2. Vorschläge
Abgesehen von den in Deutschland weitverbreiteten Losungen: "Weiter so und noch mehr gegen die Kleinen..." gibt es auch andere Konzepte, die grundlegend gewandelte Bedingungen voraussetzen und zum Teil neue gesellschaftliche Strukturen vorschlagen:      

2.1. Arbeitsplätze auf Kredit (P.Grottian)
Noch im Bereich der Beschaffung "normaler" Arbeitsplätze bleibt der Vorschlag, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Kredit für einen neugeschaffenen Arbeitsplatz erhalten sollen (wer ist dann noch Arbeit"geber" und -"nehmer"?). Hält der sich auf Dauer, dann zahlen sie Kredit zurück, ansonsten übernimmt Staat die Bürgschaft. 20 Mrd. DM werden für 1 Mio Arbeitsplätze veranschlagt. Zur Finanzierung könnte im öffentlichen Dienst bei den oberen Einkommensgruppen eine Arbeitszeitverkürzung um 10% ohne Lohnausgleich, bei mittleren Einkommensgruppen um 5% realisiert werden. Dies würde 300 000 bis 500 000 neue Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst (bei benötigten Dienstleistungen) ermöglichen.   Es ist jedoch vorauszusehen, daß sich viele dieser Arbeitsplätze nicht profitabel halten können. Entsprechend M. Beck ist dies sowieso nur der Gegenwert des Arbeitslosengeldes und schafft höchstens die üblichen "Schippenprogramme", für aktuelle High-Tech-Arbeitsplätze würden 200 000 bis 1 Mio DM gebraucht! (Beck 1997)  

2.2. Dritter Sektor (J.Rifkin)
Ein dritter Sektor soll als unabhängiger oder freiwilliger Sektor mit gemeinschaftlichen Bindungen entstehen. Auch bisher bringt dieser Sektor bereits mehr als 6% der wirtschaftlichen Leistungen und beschäftigt 9% der Arbeitskräfte. Daß sich 51% aller US-Bürger gemeinnützig engagieren, soll dafür eine günstige Basis sein. Eine Finanzierung soll erfolgen über die Beteiligung an Produktivitätszuwächsen, Steuererleichterungen für ehrenamtliche Arbeit, private Stiftungen und Spenden, Gebühren und öffentliche Mitttel, wie zum Teil bisher.  

2.3. Bürgerarbeit (U.Beck)
Auch jenseits von Staat und Markt verankert U. Beck (im Abschlußbericht der bayrisch-sächsischen Zukunftskommission, November 1997) seinen Vorschlag der "Bürgerarbeit".   Tätigkeiten, die bisher staatlich organisiert waren, sollen mit stärkerer Eigeninitiative von Bürgern - jedoch organisiert von sog. Gemeinwohlunternehmern - wahrgenommen werden.  

Diese Bürgerarbeit "soll nicht entlohnt, aber belohnt werden - mit einem Bürgergeld, das als minimale Existenzsicherung letztlich allen zur Verfügung steht, die darauf angewiesen sind." (Beck 1998). Nach Meinung Becks würden auch Unternehmer diese Formen von Bürgerarbeit unterstützen.

2.4. Reichtum der Möglichkeiten (A.Gorz)
Auch A. Gorz geht davon aus, daß es keine sicheren Jobs mehr gibt, legt aber großen Wert darauf, daß über die Diskontinuität seiner Arbeit jeder selbst bestimmen können soll, ohne deswegen unter schwankenden Einkommensverhältnissen leiden zu müssen. (Gorz, nach Cassen 1997)

2.5. "Demokratisierung der Demokratie"
Auch André und Michael Brie fordern radikale Arbeitszeitverkürzung, den Aufbau eines dritten, öffentlich geförderten Beschäftigungssektors zur Deckung sozialer und ökologischer Bedürfnisse und Regulierung der Außenwirtschaftsbeziehungen (Crossover-Treffen linker Kräfte, nach ND 14.11.1997, Bollinger) . Damit wird eine gesamtgesellschaftliche Lösung allem übergestülpt. Dies führt zu einer Spaltung der Gesellschaft in Menschen mit fremdbestimmter Erwerbsarbeit und Menschen mit fremdbestimmter (wovon bezahlter?) sozialer und ökologischer Arbeit (mit tendenziellem Zwangscharakter).

2.6. Optionales Arbeitsrecht im Diskurs (Raasch) Hier wird kein eigener dritter Sektor, aber fließende Grenzen zwischen Erwerbsarbeit und anderer Tätigkeit gefordert. Realisiert soll dies durch eine (von Gewerkschaften kontrollierte) Pflicht der Unternehmensleitungen zum Dialog werden. Dazu sollen individuell auswählbare Arbeitszeit-Bausteine (Optionen) zur Verfügung stehen und unter Zeitsouveränität der Arbeitnehmer realisiert werden. Zusätzlich muß die soziale Absicherung aus Verklammerung mit Erwerbsarbeit gelöst werden und existenzsichernde Grundeinkommen vorhanden sein.

2.7. "Neue Arbeit" (F. Bergmann)

Das Ende der gegenwärtigen Arbeitsstruktur nennt F. Bergmann nicht "Ende der Arbeit", sondern er verdreifacht die Arbeit sogar, indem er sie neu definiert. Die sog. "Neue Arbeit" vereint drei Grundbestandteile:

Neue Arbeit =

Jobarbeit

High-Tech-Self-Providing

Calling

gegen Entgelt Arbeitszeit und Arbeitsleistung erbringen

Selbstversorgung auf hohem technischem Niveau

Arbeiten gemäß einer selbst erfahrenen Berufung; wirklich-Arbeit (nach Scurell)

Job-Arbeit (= niedrige Arbeit)

 

"fliegender Teppich": mit wenig Arbeit über die Notwendigkeit erheben

"paid calling": Wirklich-Arbeit, auf die man stolz ist, die einem Flügel verleiht (Bergmann 1997)

 

= Eigenarbeit = emanzipative Arbeit in Werkstätten, à 70% des Eigenbedarfs

in Diskussion schon eingeschränkt auf "Gemeinwesenarbeit" (nach Liebers 1997)

Insgesamt ergibt sich auf diese Weise ein Übergang zur bedürfnisbefriedigenden Arbeit. "Geld verdienen" zu Kaufen von Benötigtem kann reduziert werden durch Selbstversorgung.
"... wenn man nur vier Monate mitarbeitet an der Wohnung, in der man später die nächsten zehn Jahre lebt, dann kann man schon dadurch unter Umständen jedes Jahr einen Monat weniger arbeiten, an der Job-Arbeit, weil sich das so rechnet." (Bergmann 1997) Erste beispielhafte Projekte verdeutlichen besonders die Flexibilität der Ausgestaltung entsprechend regionalen Bedürfnissen und Möglichkeiten:
In Flint, USA/Michigan (seit 1981) hat der GM-Konzern die Hälfte der Arbeitskräfte durch Rationalisierung überflüssig gemacht. In einer Vereinbarung zwischen Unternehmen und Gewerkschaft wurde festgelegt, daß jeder Arbeiter innerhalb eines Jahre nur ein halbes Jahr für den Konzern arbeitet, in anderer Hälfte kann er mit kommunaler (und betrieblicher) Hilfe seine individuelle Lebensgestaltung mit Kreativität ausfüllen (nach Ruhoff 1996).
Das Kreativ-Zentrum Wolfen vereint ein Werkstatthaus für Eigenarbeit, ein Gemeinwesenszentrum und einen Ort für kulturelle Aktivitäten. Es soll eine Tischler- und Metallwerkstatt, eine Werkstatt für Schmuckgestaltung, ein Cafe, einen Obst-, Gemüse-, und Blumengarten, ein Videostudio, einen Tauschring, eine Amateurbühne, Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften entstehen usw. Eine Unternehmerin aus Wolfen wartet bereits auf diese Möglichkeiten, weil sie die Arbeitszeit ihrer Angestellten unter Nutzung dieser Einrichtungen senken will (Scurrell 1997, S.19).
Das Forum Bauhaus Dessau griff diese Gedanken im Zusammenhang mit der nachhaltigen Regionalentwicklung auf und plant den Aufbau eines Zentrums für Neue Arbeit in Dessau.
Der Verein EigenArt e.V. Ammern beruht auf diesem Konzept.
In München existiert ein "Haus der Eigenarbeit"(Scurell 1997, S. 19) .
In Mühlhausen praktiziert ein Kleinunternehmen seit 1992 ein dementsprechendes Arbeitszeitverkürzungsmodell (nach Weinhausen 1996).
Bergmann nennt weitere Anfänge in Chemnitz, Aachen und Stuttgart (Bergmann 1997).
Die Finanzierung soll hier (nach Bergmann) tendenziell zu ca. 1/3 aus der Sozialhilfe, zu 1/3 aus dem High-Tech-Self-Providing (bis hin zu Fabriken als Wohnung ausbauen) und zu 1/3 über Selbstverkäufe erfolgen (nach Ruhoff 1996). Außerdem ist davon auszugehen, daß auch die Kommunen daran interessiert sein sollten, und deshalb mit Kostenübernahme für Gebäude und Mittel unterstützen können. Firmen können sich über Stiftungen, "Sponsoring" und Ablösesummen bei Werksschließungen. Die Firmen sind ja interessiert an qualifizierten und motivierten Arbeitskräften, die ihnen in solch einem Modell in der Job-Arbeit zur Verfügung stehen ("loyality effect"). Bergmann spricht davon, Widersprüche innerhalb und zwischen den Konzernen intelligent zu nutzen.
In bisherigen Diskussion wurde betont, daß es sinnvoll wäre - sich mit einen regionalen Tauschring zu vernetzen, - ABM-Mittel dafür zu nutzen (in Neustadt bereits begonnen), - landwirtschaftliche Selbstversorgung einzubinden, - auch in der Selbstversorgung Arbeitsteilungs- und Spezialisierungsvorteile zu nutzen,...

2.8. Lokale Ökonomie (VHS-Forum)
  Insgesamt ergibt sich durch das Zurückziehen des Kapitals als "unprofitablen" Regionen eine weitreichende Verödung. An dieser Stelle könnten "von unten" her neue Wirtschaftsbeziehungen aufgebaut werden (lokal verankerte Selbsthilfe-Ökonomien) (Ruhoff, 1996). Das Ziel des Wirtschaftens besteht hier nicht in der Konkurrenz mit multinationalen Konzernen, sondern gerade in der Loslösung aus deren Griff zur Existenzsicherung (Wallimann, 1997).  

3. Chancen

  • Anstoßen von Denkprozessen über Sinn und Zweck der eigenen Arbeitsanstrengungen
Primär ist im Konzept der "Neuen Arbeit" das Nachdenken über das wirklich Gewollte, was Impulse für die Erwerbsarbeit wie auch die Eigenarbeit bringen soll.
  • Beginn des Aufbau regionaler lokaler neuer Wirtschaftsprozesse
4. Bedenken
"Mit der Diskussion über die Förderung der gemeinnützigen Arbeit wird der Versuch aufgegeben, Arbeitslose in den Wirtschaftsprozeß wieder zu integrieren. Wir halten diesen Weg für falsch." (ötv- Information 1/1997) Wieso jedoch soll die Integration in einen naturzerstörerischen Wirtschaftsprozeß besser sein? Solange der Zweck der normalen Wirtschaft nicht hinterfragt wird, ist die reine Integration nur individuell zum Gelderwerb sinnvoll.   "Die unmenschliche Rationalität der Marktgesetze wird zum unabänderlichen Wesen der Marktwirtschaft erhoben. Für uns ist die Verteilungsfrage von Einkommen, Gewinne und Vermögen... immer noch aktuell." (ötv, 1997) Die Umverteilung allein greift aber immer noch nicht die Ziele des Wirtschaftens selbst an, sondern behält sie bei.  
  • Warum wird diese ganze Debatte eigentlich selbsternannten Experten (Professoren, ötv) überlassen, statt die Jobbenden und die Erwerbslosen mal selber machen zu lassen!!! (Zukunftswerkstätten über ihre Arbeitsbedürfnisse...).
 
  • Die Möglichkeiten der ersten Ansätze zu "Neuer Arbeit" werden überschätzt:
- Die Veränderungen innerhalb der Erwerbsarbeit (Toyotisierung) wird davon nicht berührt, die durch "Calling" (4.7.) erweiterte Kreativität und Qualifikation der Arbeitskräfte wird ja geradezu als Werbeargument für die Unterstützung durch Unternehmen verwendet. Die Verwertung der Haupt-Arbeitskräfte bleibt weiterhin im falschen Kreislauf der Kapitalakkumulation. - Solange nicht grundsätzliche Veränderungen der gesellschaftlichen Wertmaßstäbe einsetzen (und das ist nicht möglich, solange die Erwerbsarbeit profitorientiert ist), behält das Ganze ("Bürgerarbeit", Gemeinwesenarbeit) einen Charakter als "Veredelte Almosen" (Koch 1998)  
  • Es besteht die Gefahr des Übersehens und Unterstützens bedenklicher Tendenzen:
- Polarisierung der Gesellschaft in Normalarbeitsplatzbesitzer und "Rest" - Der Dritte Sektor kann dazu dienen, die Gebrechen der normalen Jobarbeit auf gesellschaftliche Kosten abzufedern. Unternehmen externalisieren alle diese Kosten...- diese zusätzliche Arbeit war schon immer die Grundlage der Lohnarbeit (Frauen... Kolonien, siehe Werlhof). - Es ist auch zu bedenken, daß ein Großteil der bei uns eingesparten Arbeit von neuen Ausgebeuteten in anderen Ländern geleistet wird - wir dürfen nicht mit unseren neuen Modellen an ihnen parasitieren! - "Die BürgerInnen haben mitnichten ein Recht auf Arbeit, sondern die Pflicht, sich für die Gemeinschaft nützlich zu machen." (Koch 1998) - Was ist daran schlecht? Der Zwangscharakter innerhalb einer Welt, wo der Einzelne nicht mitbestimmen kann über die Produktion, seine Bedürfnisbefriedigung und die sich daraus ergebenden Aufgaben. - In Frankreich sind Regelungen geplant, nach denen das Mindesteinkommen an eine sozial oder kulturell nützliche Arbeit oder an den Besuch von Fortbildungs- oder Wiedereingliederungskursen gekoppelt ist (Rifkin). - die Realität in der BRD zeigt überdeutlich: Zwangsarbeit in Kommunen, "Trainings"-Maßnahmen statt wirklicher Weiterbildung etc.!!!  
  • Das Abschieben von Menschen in sog. "Bürgerarbeit" geschieht meist ohne Selbstbestimmung (über Beruf und Tätigkeit)
- Hausfrauen leisten schon längst Zwangs-Eigenarbeit. Aus finanziellen Gründen wird die zeitweise in die Erwerbsarbeit ausgelagerte Dienstleistung wieder im Haushalt selbst erledigt (Raasch 1997). - Auch "gutgemeinte" Vorschläge (Brie, Beck) können den Zwangscharakter der o.g. realen Aufgaben des Staats im Rahmen der Globalisierung (Veerkamp) nicht aufheben. - Die gewünschte Freiwilligkeit funktioniert schlecht. Nach einem DIW-Bericht sind bisher gerade die Leute mit guten sozialen Kontakten und oft akademischer Ausbildung ehrenamtlich tätig, weniger der Großteil der Erwerbslosen (nach Dribbusch 1998).  
5. Ausblick
Joschka Fischer zog angesichts der realen Lagen fast revolutionäre Forderungen: "Wenn hier ein neues Arbeitnehmermodell entsteht und die neue Produktivitätsideologie sagt, daß jeder Arbeitnehmer sich wie ein Mittelständler verhalten muß, der auf eigene Rechnung arbeitet, warum formuliert dann die Linke nicht erneut und vorwärts gewandt die Eigentumsfrage? Warum dann nicht der Übergang von der Mitbestimmungs- zur Miteigentumsgesellschaft?" (Fischer 1997)   Jedoch müssen nicht nur neue Wege hin zu alten Zielen beschritten werden, sondern die Ziele sind neu zu bestimmen. Vielleicht geht es gar nicht "bloß" um das Eigentum an den bisherigen Produktionsmitteln (wie die linke Revolutionstheorie immer annahm). Vielleicht ist die Aufgabe viel leichter und komplizierter. Leichter, weil wir den alten Besitzern nichts wegnehmen müssen, aber komplizierter, weil wir unsere eigenen neuen Strukturen und Kräfte entwickeln müssen (Bisher wurde in neuen Gesellschaftsformationen nie nur die alten Produktionsmittel in anderen Händen verwendet - sondern der Formationswechsel beruhte eher auf völlig neuen Wirtschafts- und Lebensprinzipien!). In der Tendenz wird es darauf ankommen, das Leben anders zu betrachten. Wohlstand besteht in Zukunft weniger in noch mehr (noch schneller zu verbrauchenden) Konsumgütern, sondern in "Zeitwohlstand" (Zwickel).   Wenn wir gefragt werden, wie die Alternative denn genau aussähe und wie genau sie funktioniere und wir nachweisen sollen, daß auf diese oder jene bestimmte Weise so und so viel Output erreicht wird - so ist das 1. ein undemokratisches Ansinnen (denn niemand sollte mehr alles besser wissen sollen als alle anderen ) und 2.: Für die jetzige, kapitalistische Wirtschaftsform kann das für die nächste Zeit auch keiner sagen, außer daß die Bedingungen immer nur schlechter werden für einen Neuanfang...   Wir sollten uns nicht mit diesen neuen Arbeitsmodellen aufhalten und von grundsätzlichen Fragen aufhalten lassen, wenn sie nur zur Rettung dieser "rationalen" Wirtschaftsweise dienen. Wir sollten ihre emanzipativen Potentiale ausloten und entwickeln - aber immer in Hinsicht auf den zu überschreitenden Horizont.   Anstatt der Gesellschaft zu dienen, geht es jetzt darum, wieder Gesellschaft hervorzubringen." (Gorz, nach Cassen 1997)   Soziale Bewegungen sollten "nur noch teilweise an der Lohnarbeit hängen...", und "sich selbst ein zweites Standbein von vernetzter Selbstversorgung" schaffen. Dafür ist es natürlich zweckmäßig "auch Einfluß auf die Politik zu gewinnen (zu suchen), um Ressourcen und geldliche Starthilfen zu bekommen" (Weinhausen 1997).   Rudolf Bahro initiierte die Entwicklung neuer Lebensplätze statt reiner Arbeitsplätze.    

Literatur
Beck, M., Für eine Rotation auf dem Arbeitsmarkt, in Jena 28./29. November 1997 in Jena, in: Wirtschaft im Umbruch - Zukunft der Arbeit, taz-Sonderbeilage der Heinrich Böll Stiftung 1997 Beck, U., Mutter Teresa und Bill Gates in einer Person, in taz 2.1.98,
Bergmann, F., "New Work" - wider den arbeitspolitischen Fatalismus. in Jena 28./29. November 1997 in Jena, in: Wirtschaft im Umbruch - Zukunft der Arbeit, taz-Sonderbeilage der Heinrich Böll Stiftung 1997
Bollinger, S., Spannender rot-grüner Denksport, in ND 14.11.1997
Cassen, B., Ausstieg aus der Lohngesellschaft, André Gorz will das Kapital überlisten, in: taz-Beilage Dezember 1997
Dante, D., 5 - Stunden sind genug, Marne 1992
Dribbusch, B., Keine Jobs für Bürgerarbeiter, in: taz 22.1.1998
Fischer, J., Ein Begriff von Solidarität unter den Bedingungen der Globalisierung auf einer Konferenz am 24.7. 1997 (nach Internet: telepolis, Verlag Heinz Heise, 29.7.1997)
Grottian, P., Mit Jobs auf Kredit gegen die Arbeitslosigkeit, in ND ? 1997
Grottian, P., (1997b) Für eine solidarische Arbeitsumverteilung, in Jena 28./29. November 1997 in Jena, in: Wirtschaft im Umbruch - Zukunft der Arbeit, taz-Sonderbeilage der Heinrich Böll Stiftung 1997
Hoch, M., Immer mehr mit immer weniger produzieren. Doch wo bleiben die Beschäftigten? Das neue Buch von James Womack und Daniel Jones, in: Süddeutsche Zeitung 29.1.1997
Koch, H., Veredelte Almosen, in: taz 22.1.1998
Liebers, P., Ratlosigkeit "wegschreien". Böll-Stiftung zur Zukunft von Arbeit und Sozialem, in: ND 2.12.1997
Liebers, P., Neue Jobs nur mit Fördergeldern (Anhörung der Thüringer SPD-Landtagsfraktion in Erfurt), in: ND 22.1.1998
Nick, H., Hilfe, und geht die Arbeit aus! in: ND 12.12.1997
ötv- Information 1/1997: Jeremy Rifkin und das Ende der Arbeit sowie arbeitsmarktpolitische Tagung in Schleswig-Holstein
Papke, G., Dauerhafte Arbeit. Neue Arbeit durch Selbstversorgung. New Work For A Sustainable Planet, Witzenhausen, 1997
Rauh: Berufsakademie: Mit dem Forum "Neue Arbeit" weltweit in Vorreiterrolle, in: Heidenheimer Zeitung v. 11.7.1995 (nach Internet (krisis e.V.))
Raasch, S., Arbeit, soziale Sicherung und Geschlechterdifferenz, in Jena 28./29. November 1997 in Jena, in: Wirtschaft im Umbruch - Zukunft der Arbeit, taz-Sonderbeilage der Heinrich Böll Stiftung 1997
Rifkin, J., Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft, Frankfurt am Main 1997
Rother, F.W., Soll und Haben, in: WirtschaftsWoche Nr. 26, 19.6.1997, S. 50-57
Ruhoff, W., Liegt die Zukunft der Arbeit in der lokalen Ökonomie? in: Contraste November 1996
Scurrell, B., Protokoll: 1. Expertenkolloquium des Bauhaus-Forums: Nachhaltige Regionalentwicklung, in: Nursery, April 1997
Terkessidis, M., Arbeit in den Zeiten des Konsumismus, in: taz 9.12.1997
Veerkamp, T., Arum in einem Ozean von Reichtum, Weißenseer Blätter 4/1997
Wallimann, I., Local work for local people using lodal resources, in: Contraste Januar 1997
Weinhausen, H., VHS Mühlheim: New Work in Köln-Mühleim, Artikelvorlage, in: Internet (krisis e.V.) 1996
Weinhausen, H., Business as usual oder mit Volldampf in den Kollaps?, in: Contraste Januar 1997
Zwickel, K., Die Zukunft der Arbeitsgesellschaft, Rede auf dem Kongreß der Otto-Brenner-Stiftung "Visionen lohnen" in Hannover, dok. in ND 13.11.1997  

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und
Frithjof Bergmann:
Neue Arbeit, Neue Kultur
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Andere Texte zum Thema Arbeit:
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Quelle


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