Das Hegel-Sierpinski-Dreieck

Der innere Zusammenhang der Hegelschen Begriffe zeigt eine Eigenschaft, die die Wissenschaft erst im vorigen Jahrhundert strukturell genauer bestimmen konnte. Dadurch, daß die Begriffsentwicklung (-aufeinanderfolge) prinzipiell nach der gleichen Regel (Negation, Negation der Negation) fort läuft, haben wir die Eigenschaft der nichtlinearen Selbstähnlichkeit.

Geometrische Figuren, die sich nach dieser Regel bilden, werden i.a. Fraktale genannt und eine der bekannten Fraktalfiguren ist das Sierpinski-Dreieck. Nach folgender Regel wird vorgegangen:

"Sierpinski-Dreieck entsteht aus einem gleichseitigen Dreieck durch sukzessive Entfernung der jeweiligen, um den Faktor 2 verkleinerten Dreiecke, deren Ecken die jeweiligen Seitenmittelpunkte der Dreiecke aus dem vorangegangenen Iterationsschritt sind. In jedem Iterationsschritt verringert sich die Fläche um den Faktor; das Sierpinski Dreieck hat also die Fläche Null."

Wir erhalten nach jedem Schritt eine stärker strukturierte Form:

   Im Dreidimensionalen erhalten wir
   folgende Figur:

Mehr zur Entstehung dieser Dreiecke siehe u.a.:

 

Hegel beschrieb die Struktur seines Systems folgendermaßen:

Jeder der Teile der Philosophie ist ein philosophisches Ganzes, ein sich in sich selbst schließender Kreis, aber die philosophische Idee ist darin in einer besonderen Bestimmtheit oder Elemente. Der einzelne Kreis durchbricht darum, weil er in sich Totalität ist, auch die Schranke seines Elements und begründet eine weitere Sphäre; das Ganze stellt sich daher als ein Kreis von Kreisen dar, deren jeder ein notwendiges Moment ist, so daß das System ihrer eigentümlichen Elemente die ganze Idee ausmacht, die ebenso in jedem einzelnen erscheint. (Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, Werke Bd. 8, S. 59, § 15)

Vermöge der aufgezeigten Natur der Methode stellt sich die Wissenschaft als ein in sich geschlungener Kreis dar, in dessen Anfang, den einfachen Grund, die Vermittlung das Ende zurückschlingt; dabei ist dieser Kreis ein Kreis von Kreisen; denn jedes einzelne Glied, als Beseeltes der Methode, ist die Reflexion-in-sich, die, indem sie in den Anfang zurückkehrt, zugleich der Anfang eines neuen Gliedes ist. Bruchstücke dieser Kette sind die einzelnen Wissenschaften, deren jede ein Vor und ein Nach hat oder, genauer gesprochen, nur das Vor hat und in ihrem Schlusse selbst ihr Nach zeigt. (Hegel: Wissenschaft der Logik, Werke Bd. 6, S. 570-571)

Dem entsprechen die in der linken Abbildung gezeichneten Kreise. Allerdings sind auch folgende Darstellungen möglich (entnommen aus www.hegel-system.de):

Sehr gut eignet sich jedoch auch die Dreiecksform:

(zum Linken Bild siehe auch: "Zur Dreiecks-Symbolik bei Hegel" von Helmut Schneider, in: Hegel-Studien Bd. 8, 1973, S. 55-77.)

In diesem Hegel-Sierpinski-Dreieck lassen sich bestimmte Beziehungen zwischen Hegels Begriffen ableiten.

Dabei gelten folgende "Regeln")*:

  • Im Bereich "1" begegnet uns der untersuchte Gegenstand in seiner unmittelbaren Form, als (fast beliebig) begrenzte Einheit; im Bereich "3" dagegen haben wir eine Einheit, aus der sich ihre eigene Differenzierung, Untereilung mit Notwendigkeit begründet.
  • Das unmittelbar Gegebene in "1" findet im Bereich "2" die Begründung (Wesens-Grund) seiner Existenz (durch 1. Negation: Beziehung des mit sich Identischen ("1") mit Anderem ("2") – Begründung durch Beziehung zu "2").
  • Der Bereich "3" begründet (Begriffs-Grund) seine eigenen Momente "1" und "2" (Negation der Negation: in "3" findet sch "1" wieder, aber nun konkret erfüllt durch seine in den Beziehungen zu "2" qualitativ bestimmen Momenten).
  • Die Übergänge von "1" zu "2" und beiden zu "3" bzw. "4" werden notwendig dadurch, daß sie vor dem Übergang in sich selbst (inhaltlich) widersprüchlich sind. Der gelungene Übergang und damit das jeweilige Ergebnis rechtfertigt seine Geltung durch die erfolgreiche Lösung des jeweiligen Widerspruchs (Lösung des wissenschaftsphilosophischen Geltungsproblems).
Die graphische Darstellung ist als "fertiges Bild" dem Prozeß der Hegelschen Systematik nicht angemessen. Deshalb haben wir versucht, die Übergänge der Begriffsmomente prozessual abzubilden (Danke, Tanja, für das Gestalten der animierten gif...).

Die Hegelschen Kategorienabfolge ist folgende:

1. Logik

1.1.Sein
1.1.1. Bestimmtheit
1.1.2. Größe
1.1.3. Maß
1.2. Wesen
1.21. Reflexion in sich
1.2.2. Erscheinung
1.2.3. Wirklichkeit
1.3. Begriff
1.3.1. Subjektivität
1.3.2. Objektivität
1.3.3 Idee

2. Natur

2.1. Mechanik
2.1.1. abstraktes Auseinander
2.1.2. endliche Mechanik
2.1.3. Himmelsmechanik
2.2. Physik
2.2.1. materielle Individualität
2.2.2. Eigenheiten
2.2.3. Körper
2.3. Organik
2.3.1. Die Erde
2.3.2. pflanzliches Leben
2.3.3. tierisches Leben

3. Geist

3.1. subjektiver menschlicher Geist
3.1.1. Seele
3.1.2. Bewußtsein
3.1.3. Psychologie
3.2. objektiver Weltgeist
3.21. Recht
3.2.2. Moralität
3.2.3. Sittlichkeit
3.3. absoluter, göttlicher Geist
3.3.1. Kunst
3.3.2. Religion
3.3.3. Philosophie

 

 

)* Genau genommen ist das völlig falsch, so etwas wie abtrakte "Regeln" angeben zu wollen: Hegel wendet nicht äußerliche Denkbestimmungen auf die Welt an, sondern geht von der Identität des "objektiven Begriffs der Dinge" und "der Sache selbst" (Hegel WdL I, S. 25) aus. Dies ist immer mit zu wissen, wenn wir von Denken, Denkbestimmungen oder Denk"typen" sprechen.
Die "Schematisierung" hier kommt also auf MEIN Konto, nicht auf das von Hegel. Ich möchte Euch/Sie nur darauf aufmerksam machen, welche typischen Argumente hinter den bei Hegel vollzogenen konkreten Negationen stecken.
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