Feindbild "Kapitalismus"???

In der Frage der tieferliegenden Ursache kriegerische Konflikte auf der Welt, sozialer Not und ökologischer Zerstörungen darf man maximal vage "ökonomische Hintergründe" benennen, aber das Wort "Kapitalismus" wird oft als Offenbarung eines dogmatischen Feindbildes gewertet.

Das Bemühen um Erkenntnis führt jedoch in der Naturwissenschaft wie auch bei der Betrachtung der Gesellschaft zu "Begriffen", die viel mehr enthalten als "Bilder", ob freundliche oder feindliche. Ein Begriff enthält - wenn er gelungen sind - die Totalität, die in sich vielfach gegliedert die Realisierung des Wesens des begriffenen Prozesses beschreibt.

Ein "Begriffsverbot" würde nur noch vage "Meinungen" zulassen, in starren Worten, mit denen gespielt, aber nichts mehr wirklich begriffen werden kann. Alltagsverständige ewige Entgegensetzungen und höchstens sterile Toleranz wären die Folge. Vernunft erfordert das gegenseitige Durchdringen des Entgegengesetzten und ihre Aufhebung im Begriff, der alles umgreift.

Gerade das Begreifen von Prozessen in ihren wesentlichen Zusammenhängen und Tendenzen macht jegliches "Feindbild" obsolet. Gegen eine unangemessene Personifizierung ("Freund/Feind") steht eine Objektivität, die sich allerdings um vielfältige Vermittlungen bemühen muß und keine abstrakten ("objektiven") Schemata voraussetzen darf. Gegen Mystifizierung und Personifizierung (wie gegenwärtig im Jugoslawienkrieg) sollte die rationale Wesenserkenntnis stehen.

Erst das Benennen der Triebkraft der "bürgerlichen Gesellschaft" (Kapital) macht das Wesen dieser Gesellschaft offensichtlich. Alles andere sind alltagsverständige Beschreibungen von verschiedenen Standpunkten innerhalb dieser Prozesse aus - deren Inhalte sich aus ihrer Stellung innerhalb dieses Prozesses recht gut bestimmen.

Begreifende Vernunft steht nun nicht außerhalb dieser Prozesse als Schiedsrichter und "objektiver" Beobachter. Sie entsteht im realen Prozeß des Einander-Durchdringen des Gegensätzlichen - aber auf Grundlage der Transparenz der jeweiligen Standpunkte und ihrer verschiedenen Stellung in den Prozessen. Toleranz ist deshalb nur möglich bei Offenbarung und gegenseitiger Anerkennung dieser realen Verschiedenheit, Unterschiedlichkeit und auch Gegensätzlichkeit, nicht bei "faulen Kompromissen", die die Gegensätze lediglich verschweigen. In den faulen Kompromissen dominiert ja unausgesprochen auch eine Tendenz: die der Verhinderung der begreifenden, weiterführenden Vernunft.

 


zur Übersicht "Ökonomie"

[Homepage] [Gliederung]






- Diese Seite ist Bestandteil von "Annettes Philosophenstübchen" © 1999 - http://www.thur.de/philo/kapitalismus.htm -