Sat, 16 Sep 2000 12:34:08 +0200
To: liste@oekonux.de
From: Sabine Nuss
"Dass die Güter knapp sind, damit fängt jedes VWL-Lehrbuch an. Es ist
quasi die Basis aller geltenden Wirtschaftstheorie. Auf den ersten Blick
würde ich auch sofort sagen, klar sind die Güter knapp, sieht man doch.
Was aber sieht man? Teilweise eine künstlich erzeugte Knappheit, die uns
aber als naturgemäß knapp erscheint. Was ist mit den brachliegenden
Agrarflächen (wegen Subventionen, usw.), was ist mit vernichteten
Lebensmitteln? Der Überfluss wird ja nicht verteilt sondern vernichtet,
weil eine Knappheit auch notwendig ist (!!!), um bestimmte (nationale
oder internationale) Marktgleichgewichte zu halten. Da dreht sich das
ganze dann um. Das ist aber vielen einleuchtend. Gehen wir zu den
schwierigeren Gütern, die natürlichen Ressourcen. Die kommen einem
wirklich originär knapp vor. Nehmen wir eines der dringendsten Probleme:
Wasser. Ist es wirklich so, dass die Wasserknappheit unlösbar wäre, ohne
einen Markt (der im übrigen auch nur selektiert, nach zahlungskräftigem
und nicht-zahlungskräftigem Durst)? Soweit ich weiß, wäre nach dem Stand
der Dinge, die Wasserknappheit durchaus zu lösen, wenn die technischen
Mittel (Bspl: Entsalzungsanlagen) dazu nicht - ach herrjeh - soo teuer
wären. Möglicherweise gerät auch die Technik dabei an ihre Grenzen, aber
wenn es daran scheitert, dass solche Projekte zu teuer sind und auch die
Forschung an ihren finanziellen Engpässen zu scheitern droht, dann sage
mir niemand, dies sei eine natürliche Knappheit. Ähnlich ist es mit den
Trinkwasserbrunnen in einigen Gebieten in Entwicklungsländern. Der Bau
und die Versorgung liegt mitnichten an natürlichen ökologischen Grenzen,
sondern an mangelnder finanzieller Unterstützung. Und was ist mit den
fossilen Energieträgern? Eine natürliche Knappheit, das gebe ich zu,
aber wieso geht man davon aus, dass diese Form der Energie der letzte
Stand der Dinge sei, wenn man von seiner Funktion ausgeht? Wind, Sonne
und wer weiß was wir alles noch nicht wissen, sind doch nette
Fortsetzungsstrategien. Nun noch das Totschlagargument mit den
Hungernden in Afrika, dem Mangel in Entwicklungsländern. Im Supermarkt
krieg ich fast nur noch Äpfel aus Neuseeland oder Chile (während die
Brandenburger Äpfel in Massen vom Baum plumpsen und vergammeln...das nur
nebenbei), ich stelle mir vor, da flitzen tagtäglich Massen von
Flugzeugen voll mit Äpfeln tausende von Kilometern nach Berlin
(toc,toc,toc...), völlig unsinnigerweise, da es hier ja Äpfel gibt. Und
da will mir jemand sagen, es ginge nicht, nach Afrika zu fliegen ?? Ich
könnte nun noch tausend andere Beispiele anfügen, aber ich glaube, ihr
habt, was ich meine.
Ich wollte nur mal Zweifel säen an diesem elenden Knappheits-Dogma. Es
gibt knappe Dinge, klar. Aber die Quantität dessen, was knapp ist,
reicht lange nicht aus um ein solches Dogma zu rechtfertigen. Wieso es
dennoch stoisch gelehrt wird, darüber kann sich jeder selbst einen Reim
machen."
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