Rezension von Annette Schlemm:

Joe Haldeman: Der ewige Friede

Wilhelm Heyne Verlag München, 2000

 

Joe Haldeman schrieb bereits 1974 ein Buch mit dem Titel „Der ewige Krieg“, in welchem er seine Erlebnisse aus dem Vietnamkrieg heranzog und die Schreckensvision eines jahrhundertelangen kosmischen Krieges entwickelte. „Der ewige Friede“ ist keine Fortsetzung der Geschichte – er ist auch nicht das rosarot-glückliche Gegenstück. Der Ausgangspunkt ist ein Krieg neuen Typs: die Soldaten-Operatoren steuern künstliche „Soldierboys“ aus sicheren Bunkern heraus, sie sind Teilzeitsoldaten und führen zwischendurch ein alltägliches Leben, z.B. als wissenschaftlicher Assistent. Die gewaltige technische Macht wird gegen „Rebellen in Costa Rica“ eingesetzt, z.B. gegen kleine Mädchen mit Maschinengewehren. Ganz Zentral- und Südamerika sowie Afrika ist Frontgebiet. Auch wirtschaftlich bleibt die Übermacht auf Seiten derer, die neuartige Nanoschmieden besitzen. Nanoschmieden können aus verschiedenen Zutaten nanotechnologisch jedes gewünschte Produkt herstellen – funktionieren aber auf Basis von kerntechnisch erzeugter Energie und unterstehen deshalb einer zentralen Aufsicht und Herrschaft. Der Ausschluß der „Habenichtse“ von diesem Reichtum führt systematisch zur Entstehung von Rebellenarmeen. Genau in diese Richtung weisen viele Tendenzen der gegenwärtigen Entwicklung. Haldemans Visionen verdeutlichen eine mögliche Zukunft dieser, unserer realen Welt.

Julian ist einer der Teilzeitoperatoren und erlebt während des Eintauchens in die Virtuelle Realität – der Verschmelzung mit seinem Soldierboy und gleichzeitig mit seinen Kameraden – eine völlig neuartige geistige Wirklichkeit. Diese Verschmelzung erfordert auch eine Pause nach jeweils neun Tagen. Der Militärdienst gehört zum ansonsten privilegierten Leben in den reichen Ländern. Eigentlich kann man sein normales Leben dabei weiter leben. In seiner wissenschaftlichen Arbeit ist Julian Mitarbeiter am Projekt eines Riesen-Teilchenbeschleunigers um den Jupiter. In diesem Teilchenbeschleuniger sollen Elementarteilchen so hoch beschleunigt werden, dass ihre Energie jener entspricht, die die Urteilchen zu Beginn der Expansion des Universums hatten. Es geht um die Simulation der Bedingungen kurz nach dem „Urknall“.

Vorerst jedoch beschäftigen ihn einige Vorkommnisse an der Front. Durch die intensive geistige Verschmelzung des Operators mit seinem Soldierboy kann es zu Todesfällen der Operatoren bei der Vernichtung des künstlichen Geräts kommen. Aber Julians Ersatz-Einheit wird durch eingedrungene Rebellen niedergemäht – dies ist ein Schock für alle Überlebenden. Deshalb nimmt Julian nur nebenbei wahr, dass sich seine Physikabteilung aufsehenerregenden Erkenntnissen nähert: Es könnte passieren, dass die superbeschleunigten Teilchen auf der Jupiterbahn die Urknall-Bedingungen nicht nur simulieren, sondern ... einen neuen Urknall, in dem das vorhandene Universum verschwindet, erzeugt! Julians Chefin ist gleichzeitig seine Freundin, dadurch wird er in die Probleme hineingezogen, in die sie gerät. Denn es gibt eine Fraktion auf der Erde, die genau den Untergang der Welt schon lange gepredigt haben und denen es nur in ihre Pläne passt, wenn es jetzt tatsächlich so weit kommt...

Diese Zuspitzung ist es, die den ewigen Krieg auf jeden Fall beenden wird. Wenn es nicht gelingt, Friedensfähigkeit zu erreichen, geht der Krieg nicht mehr nur ewig weiter – woran man sich ja schon gewöhnt hat – sondern alles hört auf zu existieren. Dies ist schließlich der Anlaß dafür, dass eine Humanisierung des menschlichen Denkens mit Hilfe der neuen Technik der Virtuellen Realität versucht wird. Haldeman glaubt nicht an die Realisierbarkeit dieses speziellen Vorgehens, wie er in einem Gespräch mit Usch Kiausch erwähnt. Damit nimmt er uns – die wir vielleicht dasselbe anstreben - von vornherein das eigene Suchen nach anderen zweckmäßigeren Wegen und Mitteln nicht ab. Er spitzt lediglich die Problemsituation so zu, dass sie nicht mehr zu umgehen ist.

Deshalb ist die Lektüre dieses Werkes auf jeden Fall zu empfehlen. Action-, Kosmologie- , politische wie auch psychologische Interessen werden gleichermaßen angesprochen. Diese Vielfalt ist in nachvollziehbaren Handlungssträngen eingebettet, die auch die Unterhaltung nicht vermissen lassen.

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