Rundmail aus London - November 2006

Hi Ihrs

Meine Güte, wie die Zeit vergeht, Halloween war Bergfest für das Semester vor Weihnachten und jetzt sind es nur noch 4 Wochen... (Ihr habt alle bis kurz vor Anschlag Studium, oder habt ihr auch schon ab 'ne Woche vorher frei?)



Das ist mein Zimmer in der Student Accomodation

Letzte Woche war ich ja in Jena, da habe ich mir auch ein paar Mathe- und Physik-Vorlesungen in Jena angehört (und das, obwohl ich die Woche frei hatte!). Mathe-Vorlesungen in Jena sind ein ganzes Stück theoretischer als hier in London. Jena ist so: und jetzt beweisen wir mal, warum der Häufungspunkt auch der Grenzwert ist. Hier ist das viel Pragmatischer: Grenzwerte muss man berechnen können. Und das hoch und runter und mit allen Kniffs und Tricks. Mathe ein bisschen mehr anwednungsbezogener (und wenn es nur Anwendung in der theoretischen Physik ist) ist mir auch lieber. Obwohl es manchmal auch ein bisschen nervt, ständig zu hören, dass es dafür einen Beweis gibt und den nicht gezeigt zu kriegen...
Naja, die Vorlesungen werden zumindestens langsam interessant. In Physik hatten wir jetzt das Gauss-Gesetz, was Berechnung von Gravitations- und elektrischen Feldern erheblich vereinfacht, und betrachten gerade die Potentiale und Kräfteverhältnisse bei den Van-der-Waals-Kräften. Nur Praktikum ist immer noch genauso langweilig wie am Anfang... Aber morgen habe ich Versuch Elektronenstrahloszilloskop, da kann man wenigstens spielen.



Eine Mathe-Vorlesung im Old Anatomy Theatre

Nachdem ich aus Jena wiedergekommen bin, war ich am Donnerstag noch in Camden Town und Hampstead Heath (siehe Bilder). Camden Town ist wie Covent Garden, nur viel, viel größer. Da gibt es echt alles: von ganz normalen Klamotten (ich habe mir einen schwarzen Mantel gekauft) über modische Punkerklamotten ("Avril Lavigne"-"Under my Skin"-Style, falls das irgendwem was sagt) zu Esoterikkram und Kitsch (quietschbunte Plüsch-Klodeckelüberzüge mit Bildern von der Queen oder Elvis) zu Antiquitäten (in ehemaligen Pferdestall untergebracht) und Designermöbeln. Und natürlich viele, viele Leute. So viele Sprachen auf einen Haufen habe ich schon lange nicht mehr gehört, ist eben ein typischer Touristentreffpunkt.



Camden Town

Hampstead Heath ist gar nicht weit weg davon (15 min weiter mit dem Bus) ein riesengroßer Park im Nordwesten von London. Dort ist es echt toll: Es gibt mehrere kleine Seen mit total zahmen Gänsen, Schwänen, Enten und Möwen (was auch immer die dort verloren haben). Das Gelände ist hügelig und es sind immer mal größere Wiesen mit einzelnen Bäumen und dann wieder relativ wild gewachsene Waldstücke. Da kann man mehrere Stunden lang drinne rum streifen und begegnet kaum Menschen. Das macht echt Spaß.



Im Hampsted Heath

Ansonsten bin ich zur Zeit dabei, die Socialist Party kennen zu lernen. Ende Oktober war in London National Demonstration gegen die Erhöhung der Studiengebühren (sollen von jetzt schon 3.000 Pfund pro Jahr auf noch mehr erhöht werden) und dort habe ich die Socialist Students kennen gelernt und mich an die rangehangen (alleine auf einer Demo macht keinen Spaß und socialist hört sich ja schon mal gut an). Inzwischen war ich schon auf mehreren Veranstaltungen der Socialist party und habe mehre Leute kennen gelenrt und einen guten Eindruck gewonnen. Von den vielen linekn Parteien, die es in England gibt (die Parteienlandschaft ist hier genauso undurchschaubar wie in Deutschland, das liegt wahrscheinlich in der Natur der Sache), ist die Socialist Party wahrscheinlich die am basisdemokratischsten organisierte mit radikalen, aber nicht einseitig schwarzweißen Positionen. Wir (ich, Jon (seit über einem Jahr Mitglied der Socialist Party) und einige andere) wollen auch im Laufe der Zeit eine Socialist Society am King's College gründen. Erstmal werden wir jeden Mittwoch Flugblätter verteilen (zu Studiengebühren, Abbau im Gesundheitswesen, etc.) und Interessenten sammeln und uns treffen um zu diskutieren.



Stand von Socialist Students auf der Anti-Studiengebühren-Demo

Das ist echt toll, wenn man mit Leuten nicht über die Grundsätze diskutieren muss (ich gucke Marie jetzt gar nicht an *g*), sondern sich über Feinheiten auseinander setzen kann. Und es ist einfach wahnsinnig interessant, mitzukriegen, wie so eine politische Organisation eigentlich funktioniert. Man muss die theoretischen Positionen ja schließlich ständig in die aktuellen Probleme einbinden und die Leute vernünftig im Protest unterstützen und Proteste anregen und leiten.

So, noch ein paar rein theoretisch auch praktisch virenfreie Fotos von allem Möglichen, die Bildernamen sprechen eigentlich für sich. Ach ja, Bangor ist das kleine, hübsche Nest am Ende der Welt, wo Anke studiert und wo ich sie vor ein paar Wochen besucht habe.



Mit Anke in Bangor

Na dann, schönes Wochenende und meldet euch mal. Ich bin immer froh, wenn ich mal nicht Englisch denken muss (obwohl das auch jeden Tag besser geht) =)

_\\// Tanja


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