Was passiert mit Wasser, wenn der Luftdruck immer geringer wird?

Versuchsidee und -aufbau

Wie Mancher vielleicht schon beim Tee- oder Eierkochen gemerkt hat, kocht Wasser im Gebirge nicht erst bei 100°C, sondern - abhängig von der Höhe des Gebirges - schon bei niedrigeren Temperaturen. Die Siedetemperatur wird umso geringer je kleiner der umgebende Druck ist.
Da stellt sich doch natürlich die Frage: Kann bei genügend kleinem Druck Wasser auch schon bei Zimmertemperatur kochen? Und was für interessante Effekte treten vielleicht außerdem noch auf?

Der Versuchsaufbau ist eigentlich relativ einfach, man muss nur an die nötigen Geräte herankommen:

Sobald der Deckel und alle Belüftungsventile geschlossen sind, kann abgepumpt werden. Dann sieht man durchs Guckloch, was passiert, und kann den Druck in der Vakuumkammer und die Temperatur am Boden des Wassergefäßes verfolgen.
Der Blick durchs Guckloch sieht dann so aus:

Die anfängliche Wassertemperatur beträgt °C. Das ist etwas kälter als Zimmertemperatur, aber das macht nichts.

Beobachtungen

Während der Druck von 1 bar bis auf ungefähr 50 mbar sinkt, bilden sich kleine Bläschen am Gefäßrand



Bei einem Druck zwischen 30 mbar und 20 mbar fängt das Wasser an zu kochen! Unterschiedlich große Gasbläschen steigen schnell auf und es brodelt an der Oberfläche. Die Temperatur sinkt auf unter 10 °C.
Dann werden die Bläschen immer weniger, nur ab und zu zerplatzt eine. Druck und Temperatur sinken weiter. Der Druck liegt schließlich unter 10 mbar und die Temperatur am Gefäßboden beträgt 4 °C.

Dann bildet sich auf einmal eine dünne Eisschicht an der Oberfläche.
Hier ist gerade eine Blase an die Oberfläche gekommen und hat gespritzt. Das Wasser ist so schnell gefroren, dass es nicht einmal Zeit hatte wieder herunterzufallen. Auf der linken Seite im Bild ist ein eingeforener Spritzer zu sehen.


Unter dem Eis sammeln sich Gasblasen (Bild ganz links). Die Temperatur am Boden sinkt, während das Wasser immer tiefer zufriert. Wenn alles Wasser gefroren ist, sinkt die Temperatur unter 0 °C. Der Druck bleibt konstant bei ungefähr 8 mbar.

Das entstandene Eis ist nicht klar, sondern enthält in der oberen Hälfte kleine Blasen und erscheint dadurch milchig. In der Grenzschicht sind auch große Blasen zu sehen (rechts vorne).


Bei der mehrmaligen Durchführung mit destilliertem Wasser und mit Leitungswasser waren keine bedeutenden Unterschiede zu beobachten.

Erklärung

Ob sich Wassermoleküle von der Oberfläche lösen und in den gasförmigen Aggregatzustand übergehen können, hängt von zwei Faktoren ab: der kinetischen Energie des Moleküls und dem Druck von außen.
Je mehr kinetische Energie ein Teilchen hat, desto schneller bewegt es sich und desto einfacher kann es sich aus der Verbindung mit den Nachbarmolekülen lösen. Die Temperatur des Gesamtsystems (in unserem Fall das Wasser im Becherglas) ist ein Durchschnittswert, der sich aus den kinetischen Energien aller einzelnen Teilchen ergibt. So kann zum Beispiel ein Teilchen schon die nötige Energie haben um sich zu lösen, während das restliche Wasser noch flüssig ist. Durch diesen Effekt können Flüssigkeiten schon bei Temperaturen, die viel kleiner sind als ihre Siedetemperatur, verdunsten.
Um sich aus der Flüssigkeit zu lösen, muss ein Teilchen nicht nur die Bindung an die anderen Teilchen der Flüssigkeit überwinden, sondern auch den Druck von außen. Druck in Gasen ist nichts weiter als die Kraft und die Häufigkeit, mit der Teilchen auf eine Begrenzungsfläche treffen. Das Wassermolekül wird also ständig von Luftmolekülen bombardiert und muss auch diesen Druck überwinden um gasförmig zu werden. Je kleiner der äußere Druck ist, desto weniger Energie wird dazu benötigt.

Die Abhängigkeit der Siedetemperatur vom äußeren Druck kann man berechnen und graphisch als Dampfdruckkurve darstellen. Für Wasser sieht sie so aus:

Man kann ablesen, dass bei normalem Luftdurck (1 bar) die Siedemperatur 100 °C beträgt (roter Pfeil) und dass Wasser bei Raumtemperatur bei ungefähr 30 mbar siedet (grüner Pfeil).

Das bestätigt auch unser Experiment: Zwischen 30 mbar und 20 mbar fängt das Wasser an zu sieden (die Ausgangstemperatur war geringer als 20 °C, deswegen ist der Druck etwas kleiner).
Verdampftes Wasser wird dabei abgepumpt. Der Druck bleibt dabei solange konstant, bis aus dem abgekühlten Wasser bei diesem Druck nichts mehr verdampfen kann. Dann wird der Druck wieder geringer und es kann wieder Wasser verdampfen. Je kälter das Wasser wird, desto geringer wird auch der Druck.
Aber warum kühlt das Wasser überhaupt ab? Wenn wir Wasser auf dem Herd zum Kochen bringen, fügen wir ständig Wärme zu. Diese Wärme liefert die Verdampfungswärme, die die Wassermoleküle brauchen um sich zu lösen. In der Vakuumkammer wird aber keine Wärme zugegeben. Deswegen "nehmen" sich die verdampfenden Moleküle Energie (=Wärme) von den anderen Molekülen. Diese verlieren dadurch Energie und das Wasser kühlt ab.

Wasser hat eine besondere Eigenschaft, die als Anomalie des Wassers bekannt ist: Bei 4 °C hat es seine größte Dichte. Da bei Flüssigkeiten verschiedener Dichte (z. B. Wasser unterschiedlicher Temperaturen) die dichteste sich immer ganz unten befindet, beträgt die Temperatur am Gefäßboden noch 4 °C, wenn die Oberfläche schon den Gefrierpunkt erreicht hat.
Da der Druck immer weiter fallen kann, verdampft immer mehr Wasser und entzieht die dazu nötige Energie dem restlichen Wasser. Es verdampft sogar dann noch, wenn das übrige Wasser schon 0 °C erreicht hat und nicht weiter abkühlen kann ohne zu gefrieren. Beim Gefrieren wird auch Energie frei. Also gefriert das Wasser damit es weiter verdampfen kann.

Genauso wie Teilchen vom flüssigen in den gasförmigen Aggregatzustand wechseln können (verdampfen), können sie auch vom festen in den gasförmigen wechseln. Diesen Vorgang nennt man Sublimieren. Eis kann bei Drücken, die kleiner als ungefähr 8 mbar sind, sublimieren. Die sogenannte Sublimationsdruckkurve würde sich der Dampfdruckkurve oben genau am Gefrierpunkt anschließen (gelber Pfeil).
Auch hier kühlt das Eis weiter ab um die Energie für die Sublimation zu liefern.

Die Bläschen im entstandenen Eis sind zu Beginn mit Wasserdampf von geringem Druck gefüllt. In einigen bildet sich wahrscheinlich Vakuum, weil der Wasserdampf kondensiert und friert.






So, jetzt haben wir alle Beobachtungen erklärt und (hoffentlich) auch verstanden. Das Schöne an diesem Versuch ist, dass er eigentlich gar nicht kompliziert ist und man trotzdem eine Menge interessanter Beobachtungen machen kann. Und natürlich sieht das kochende Wasser und das schaumige Eis auch einfach toll aus!




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