Umfassende Bereiche:
Der Abend bricht an Doch auf dem Mahlstein Liegt kein Mehl. Die Spreu von Gestern ist mein Brot von Heute.
Die Sonne geht auf
Er bewässert ihre Felder. Macht ihr Zuckerrohr saftig und süß.
Doch ich,
"In der indischen Kosmogonie wird die Welt im dialektischen
Spiel von Werden und Vergehen, Bindung und Zerfall geschaffen
und erneuert. Die Spannung zwischen diesen Gegensätzen begreift
man als erste Erscheinungsform dynamischer Energie (Sakri). Aus
dieser Ursprungsenergie geht Antrieb, Bewegung, ja alles Sein
hervor. sie ist das Wesen aller Dinge und durchwaltet alles. Die
Manifestation dieser Kraft und Energie wird Pakriti, Natur, genannt.
So gesehen ist Natur Verkörperung von Sakti, dem weiblichen,
schöpferischen Prinzip des Kosmos. Gemeinsam mit Purusa,
dem männlichen Prinzip, erschafft Prakriti die Welt."
(/1/ 51)
1. Menschliche Natur - natürliche
Menschen
Das Kontinuum Natur-Gesellschaft (/1/ 54) wird auf diese Weise
im traditionellen indischen Denken als schöpferisch, weil
dialektisch, verstanden.
Die Natur-Beziehung des Menschen ist keine Eigentums- oder Herrschaftsbeziehung
(deshalb eignet sich das Wort "Aneignung" auch schlecht
dafür), sondern stellt die Kooperation des Wachsens- und
Wachsenlassens (/1/ 57) dar.
Dieses wichtige lebenspraktische Gefühl der Einheit der Menschen
in der Natur ging uns europäischen Menschen schon seit vielen
Generationen verloren. Deshalb ist die Trauer um den unmittelbar
gegenwärtigen Verlust dieser Einheit bei vielen Natur-Völkern
für uns kaum nachvollziehbar. Unsere "zivilen Errungenschaften"
basieren jedoch letztlich auf der Ausbeutung , dem Zerstören
dieser Einheit bei uns, in uns und in der ganzen kolonisierten
Welt. Insofern sind die meisten der "Natur"-Völker
in viel höherem Maße Kultur-Völker als wir.
Wie schwer dies für uns einzusehen ist, zeigt u.a. die Diskussion
um die eventuelle Einbeziehung der Natur in den Wertschöpfungsprozeß
in der Produktion. Innerhalb der ökonomischen Diskussion,
die sich eigentlich um "Gesetze des Haushaltens" drehen
müßte, hat sich ein Teil dieser, nämlich die Chrematistik,
die sich laut Aristoteles nur noch mit der Geld-Wirtschaft beschäftigt,
durchgesetzt. In unserer Art chrematistischer Ökonomie herrscht
der ökonomische, quantifizierte "Wert", in dem
alle Qualitäten gleichgültig geworden sind. Selbst die
marxistische Analyse und Kritik der kapitalistischen Ökonomie
nach Marx vergaß, daß die Kritik dieser Ökonomie
eine Beseitigung der Herrschaft aller ökonomischen Kalküle
über die Menschen erfordert.
Wodurch wird die Herrschaft der Chrematistik i.a.
(auch im Staatssozialismus) begründet? Es herrscht das Bild
vor, daß der Mensch in der Produktion elende, bedürftige
Lebenslagen durch die Beseitigung von Knappheiten aufhebt. Für
Mitteleuropa mag dies (angesichts mehrerer dramatischer Klimaveränderungen
in historischen Zeiten) sogar so gewesen sein und deshalb die
Entwicklung vorangetrieben haben. Jedoch ist für die gesamte
Menschheit nicht davon auszugehen, daß alle "Natur"-Völker
elend, unentwickelt, primitiv lebten. In der Berechnung eines
Bruttosozialprodukts tauchen ihre Lebens-Werte überhaupt
nicht erst auf.
Erst eine auf Kapitalvermehrung ausgerichtete Gesellschaft
wird auch bei diesen Völkern Knappheiten mit vollem Wissen
schaffen, dazu die qualitativen Selbstversorgungsnetzwerke zerstören
(vgl. "Bauernlegen" in Europa) und dann behaupten, die
Knappheiten "beseitigen" zu wollen.
Besonders die Frauen in der sogenannten Dritten Welt erleben die
Verarmung des Lebens durch den Einzug von "Entwicklung"
dramatisch. Ihre Männer sind noch zuerst Nutznießer
von Arbeitsplätzen beim Holzeinschlag. Für die Gemeinschaften
in Indien lieferten die Wälder neben ihrer Funktion beim
Wasserhaushalt, der Ökologie usw. fast 50% aller notwendigen
Lebensmittel, Brennstoffe, Faserstoffe, Heilpflanzen usw.
"Der Sinn- und Wertmaßstab ist von den in der Männer-Forstwirtschaft
gebräuchlichen völlig verschieden." (/1/ 77):
Jahrhundertelang nutzte die indische Bevölkerung den Wald
multifunktional, pflegte ihn durch Baumbeschnitt, gezielte (Misch-)Pflanzungen
und entsprechende Hege.
Für die britischen Kolonialisatoren waren die Wälder
zuerst nur im Wege, weil nur Ackerbau Steuern einbrachte. Zusätzlich
wurde Teakholz für das Militär gebraucht - also wurde
abgeholzt.
Als ab 1865 eine "wissenschaftliche Bewirtschaftung"
begonnen wurde, erfolgte eine neue Etappe der Ausbeutung. Der
Wald wurde nicht multifunktional, in Bezug zu den Interessen seiner
Nutzer(innen) betrachtet. Nur die kommerziell verwertbare Biomasse
wurde als "Ertrag" gesehen, der ökologisch und
als Lebensgrundlage der Bevölkerung wichtige Rest war "Abfall".
"Nach heutigen Nutzungs- und Industriematerialienkriterien
sind die meisten Bäume der tropischen Regenwälder nichts
anderes als Unkraut."(J.A.Bethel in Forest Management, Juni
1984)
Auch marxistische Debatten über die Wertbildung der Natur
denken den Wert nur als Wert eines abgesägten Baumes. Gleichgültig,
ob sie der Natur zugestehen, den Tauschwert selbst zu bilden (Immler),
oder zur Wertzuschreibung erst die gesellschaftliche Arbeit des
Umsägens benötigen (Schmied-Kowarzik) (nach /3/, siehe
Debatte in /4/).
Wie sehr dieses Problem nicht nur ein Konflikt zwischen Kapital
und Lohn-Arbeit ist, sondern eine Geschlechtsspezifik beinhaltet,
zeigt sich eindrucksvoll in Indien. Während die Frauen traditionell
die Waldpflege als Quelle des Lebens verstehen, sind es die eigenen
Männer, die sich als Baumfäller verdingen lassen. Für
die Männer wird das Bäume-fällen zum "Broterwerb",
während für die Frauen das "Brot" nur im lebenden
Wald wachsen kann. Ganz konkret kam es oft vor, daß die
Frauen in der Chipko-Bewegung in Indien sich schützend vor
die Bäume stellten, die ihre eigenen Männer fällen
wollten.
Sogar aus anthropozentrischer Sicht, die die Natur durchaus im
Interesse des Menschen betrachtet und nicht den Eigenwert der
außermenschlichen Natur den menschlichen Interessen gegenüberstellt,
ergibt sich die Notwendigkeit eines anderen als des jetzt weltweit
praktizierten Verhältnisses zur Natur.
"Wir sollten uns stets vor Augen halten, daß
der Sinn und Zweck von Gebirgswäldern nicht im Erwirtschaften
von Kapitalerträgen besteht. Hauptfunktion dieser Wäder
ist, das klimatische Gleichgewicht für die ganze nordische
Region herzustellen und die Fruchtbarkeit der Gangesebene zu gewährleisten.
Wenn wir diese ökologisch wichtige Funktion ignorieren und
sie einer kurzfristigen wirtschaftlichen Nutzung opfern, wird
das Klima Nordindiens Schaden erleiden, Flut- und Dürrekatstrophen
werden sich auf gefährliche Weise abwechseln und verstärken"
(Sarala Behn, in: Himalaya: Man and Nature, 1980).
Als Produktion des Lebens muß die Form "die Dinge zum
Wachsen zu bringen" integriert werden (Maria Mies, nach /1/
56). Hier findet die Rolle der Frauen, einer partnerschaftlichen
-kooperativen Umgangsform ihren Ausdruck. Blochs Mensch-Natur-Allianz
wird dadurch "zurück-erinnert".
Eine Spezifik der ökofeministischen Utopie einer
neuen Partnerschaft zwischen Menschen und mit der Natur ist es,
daß sie stärker die Kontinuitäten betont als z.B.
revolutionäre "linke" Projekte, die in der ständigen
Umgestaltung von Praxis die Spezifik des Menschen gegenüber
der äußeren Natur betonen.
Derselbe Prozeß des "In-falsche-Werte-Setzen"
geschah mit dem sogenannten "Ödland".
"Wild" bewachsene Landflächen waren zu 80% in Gemeinschaftsbesitz
und garantierten - bei aller Ausbeutung durch die feudalen Herren
- die Grundernährung der Bevölkerung.
Das Programm der "Entwicklung des Ödlandes" verödet
ökologische Vielfalt, laugt Böden aus und nimmt ihnen
ihre wasserspeichernde Funktion. Gleichzeitig wird die Gemeinschaft
zugunsten neuer Eigentümer enteignet. Nur 10% der vorher
"Landlosen" bekommt das Land zugesprochen, die restlichen
90% der Menschen werden plötzlich "überflüssig"
und bilden eine Teil der von uns so gefürchteten "Überbevölkerung".
2. Wissen als Begreifen und Gestalten
der Praxis
Paracelsus wußte bereits, daß Wissen über die
Natur nur durch das Mitwirken an diesem Zusammenwirken erworben
werden kann.
Das ökologische Wissen über die Natur kann nur partnerschaftlich
gewonnen werden. Meist waren besonders die Frauen Expertinnen
in der Pflege der Wälder, dem Ackerbau und der Sorge um die
Wasserquellen...
Europäische Wissenschaft ist damit
schwer vergleichbar - zu "Siegen" kam sie oft nur dann,
wenn sie (oft wider Willen und heimlich) diese Prinzipien berücksichtigte.
Der brühmte deutsche Forscher Dietrich Brandis
versuchte vergeblich, Teakbaumsetzlinge zu ziehen. Die Setzlinge
gingen regelmäßig ein. Die Waldbewohner dagegen präparierten
die Samen und brachten sie im Mischanbau mit anderen Pflanzen
zum Wachsen. Als Brandis es ihnen abgesehen und nachgemacht hatte,
erhielt er hohe Auszeichnungen dafür ...
Auch der Wissenschaftler Howard machte schon zu Beginn dieses
Jahrhunderts die Erfahrung:
"Ich kam zu dem Schluß, daß es wohl
das beste wäre, die Arbeitsweise dieser Bauern zu beobachten
und ihr traditionelles Wissen so schnell wir möglich zu erwerben.."
(zit. nach /1/ 173)
Diese Art Übernahme hilft jedoch der europäischen Wissenschaftstradition
nicht allzuweit. Für das "organische" Wissen ist
es typisch, daß es den regionalen Besonderheiten angepaßt
nur dezentral erwerb- und anwendbar ist.
Nur in dieser lebensnahen Dezentralität ist eine wirkliche
Einheit von Theorie und Praxis, von Idee und Interesse möglich.
Diese Erkenntnis ist wichtig für alle Formen
aktueller Wissenschaftskritik.
Die Praxisphilosophie ist vorwiegend kritisch
orientiert:
Erkenntnis "muß das, woran er sich orientiert,
gleichzeitig in Frage stellen" (Flego in /2/, S. 95).
Der Ökofeminismus betont dagegen die kontinuierlich, über
Jahrhunderte erworbene Erfahrung der Bäuerinnen und Bauern.
Diese Erfahrungs-Erkenntnis ist nichtsdestotrotz auch schöpferisch.
Die Anbaumethoden werden ständig verbessert, es entstehen
neue Lebensformen.
Es ist auch zu betonen, daß die Rolle der Frau bei der Menschwerdung
bisher immer unterschlagen wurde. Ihre Interessen waren es, die
Werkzeuge erzeugen ließen, Kulturen wachsen ließen.
Diese Unterschiede lassen sich als ergänzende Aspekte innerhalb
eines Entwicklungskonzepts verstehen, in
dem sich kontinuierliche Veränderungen mit sprunghaften Qualitätswechseln
abwechseln. De jeweilige Betonung läßt sich aus der
Praxis der Verankerung der Praxisphilosophen in der entfremdeten
Gesellschaft und der der Ökofeministinnen in der noch-nichtentfremdeten
Praxis erklären.
Die Kritik an der abendländischen "Wissenschaft"
darf nicht nur ihre Fehlorientierung bedauern, sondern konsequent
anklagen:
Die derzeit wieder als "Lösung der globalen Probleme"
gepriesene "Biotechnologie" ist eine neue Etappe der
In-Wert-Setzung des Lebendigen im Dienst der Kapitalakkumulation.
Die "Biotechnologie" zerstört Errungenschaften
aus 40 Jahrhunderten Pflanzenzucht in Indien (es gab 400 000 Reissorten,
ans Klima und die Standortbedingungen angepaßt und trotzdem
flexibel. Künstliche Hybride wachsen nur unter optimalen
Bedingenen, die künstlich erzeugt werden müssen und
die natürlichen Bedingungen zerstören!...).
"Aber wir benötigen gar keine Gentechnik,
die Mais und Hirse stickstoffbindende Gene implantiert. Die Bauern
und Frauen haben jahrhundertelang bereits die ökologischere
Option angewandt und Mais im Gemenge mit stickstoffbindenden Bohnen
und Hirse mit anderen Hülsenfrüchten angebaut.
Nicht die Natur ist inadäquat, die Konzerne
können nur keine Profite machen, wenn sie sie nicht manipulieren"
(/1/ 151).
Derselbe absichtliche Irrtum unterläuft der Gentechnik, die
in Pflanzen eine "Schädlingsresistenz" einbauen
will, obwohl die natürliche Schädlingsbekämpfung
nie durch die einzelne Pflanze geschieht, sondern im Gesamtsystem
der Ökologie gewährleistet ist.
Die sog. "Grüne Revolution" (die Einführung
von gezüchteten Hybrid-Pflanzen zwecks Ertragssteigerung
ohne Berücksichtigung der örtlichen Ökologie und
Bedürfnisse) führte zu einer Entwertung ökologischer
Produktionsweisen, zu einer Entwertung der Arbeit und des Wissens
der Frauen. In Europa fand durch die Hexenverfolgung eine Zerstörung
der diesbezüglichen Kulturen statt - heutzutage finden in
Indien massenhafte Kinds- und Fötustötungen statt, um
die "überflüssigen" Frauen zu beseitigen.
Im Vergleich zur Population in Afrika fehlen in Indien 30 Millionen
Frauen!
Auffällig ist auch, daß die Gebiete, in denen derartige
"Entwicklungs-"programme vorwiegend
stattfanden, heute diejenigen sind, in denen der soziale und politische
Sprengstoff am größten ist (z.B. Punjab).
Die Ursache dafür sind nun nicht nur Erkenntnis-Irrtümer
einzelner blinder Wissenschaftler, sondern strukturell im herrschenden
Weltwirtschaftssystem verankert.
Es wird unübersehbar, daß der Kapitalismus nicht auf
das Verhältnis Lohn-Arbeit - Kapital
reduzierbar ist. Der größte Teil des Lebens-Notwendigen
wird nicht in Lohn-Arbeit erzeugt und erscheint weder als "Wert"
noch als "Bruttosozialprodukt".
Weltweit leisten Frauen 2/3 aller Arbeit, erhalten
aber nur 1/10 des Welteinkommens und kontrollieren nur 1/100 der
Produktionsmittel (UNO-Angaben).
Ausbeutung wird bestimmt als "Aneignung unbezahlter Mehrarbeit".
Dies geschieht nicht nur im Lohnarbeitsverhältnis.
"Lohnarbeit wird ein Privileg für weltweit
immer weniger Menschen" (/5/ 78,118)
Sogar in den kapitalistischen Zentren wird die Warenproduktion
ohne Lohnarbeit verstärkt.
Strukturelle Massenarbeitslosigkeit zeigt an, daß immer
weniger Menschen die notwendigen Werte in Lohnarbeit erzeugen
- aber auch, daß mit Anwendung moderner Technologien eigentlich
immer weniger Arbeit zur Erzeugung des Notwendigen notwendig wäre.
Dies wird aber nicht in freie Zeit, den "wirklichen Reichtum
der Menschen" (Marx) umgesetzt, sondern sogar die von dieser
Lohn-Arbeit freigesetzten Menschen werden bis in die letzte Pore
dazu benutzt, weiter Kapital (für andere) zu akkumulieren.
Privilegierte schaffen den Sprung in eine Art Selbst-Ständigkeit.
Der "boomende" Kapitalismus in Südostasien beruht
dagegen sogar eher auf "militärisch organisierter Arbeit
in Kasernen der sogenannten Weltmarktfabriken und freien Produktionszonen"
(/5/ 115).
Bereits Rosa Luxemburg hatte erkannt, daß die "ursprünglichen
Akkumulation" weitergeführt wird. Sie sieht die Kapitalakkumulation
als Prozeß des Stoffwechsels, der sich zwischen den kapitalistischen
und vorkapitalistischen Produktionsweisen vollzieht (Zitat in
/5/ 41).
"Der Kapitalismus als Prozeß, der von
Anfang an global ausgerichtet war und die Unterwerfung und Ausbeutung
aller Menschen und nicht nur der Lohnarbeiter als Produzenten
anvisierte" (/5/ 25).
Heute werden die Frauen der Dritten Welt nicht mehr gleich in
Fabriken gesteckt, sondern sie erhalten scheinbar wohlwollend
"Hausfrauenkredite", die sie von gleichzeitig zugeteilten
Hühnern, dazu passendem Futter und unsicheren Absatzmärkten
abhängig machen (siehe /5/).
3. Politische Konsequenzen
Es zeigt sich, daß die alleinige Änderung der Besitzverhältnisse
und die "In-Besitznahme" der ökonomischen Entscheidungsfindung
noch nicht ausreicht für eine Befreiung der Menschen bei
den gegebenen Notwendigkeiten und Möglichkeiten.
Es kommt nicht nur darauf an, die kapitalistische Ökonomie
abzuschaffen und eine neue einzuführen, sondern die (chrematistische)
Wert-Ökonomie selbst darf nicht mehr zentral sein für
die Vergesellschaftung.
Die ökofeministische Debatte dürfte hilfreich sein bei
der Vertiefung der Debatte um die Rolle der Natur in und außerhalb
der Ökonomie und der Lebenspraxis.
Eine traditionelle "linke" Sicht reicht allein nicht
aus.
Frauen können sich, im Gegensatz zur nichtmenschlichen Natur,
aktiv wehren gegen ihre "In-Wert-Setzung", ihr "Überflüssig"-werden.
Die Rolle der Frauen braucht nicht überbetont zu werden.
Es ist nicht die Weiblichkeit allein, vielleicht noch gegen das
Männliche gerichtet, was die Rettung bringt.
Das sog. "weibliche Prinzip" verkörpert sich nicht
ausschließlich in den Frauen, es ist das Prinzip der Aktivität
und Kreativität in der Natur, in den Frauen und in den Männern.
"Obwohl sie (männlich und weiblich, Person und Natur,
Purusa und Prakriti) verschieden sind, verbleiben sie dennoch
als zwei Aspekte des Seins untrennbar in dialektischer Einheit
verbunden"
Die Frauen sind noch mehr als die äußere Natur nicht
nur Opfer, nicht nur "Neben-Widerspruch" oder "noch-nicht-entwickelt",
sondern selbst aktiv und schöpferisch.
Wenn die Ökofeministin als Ziel angibt die "Humanisierung
von Natur und Naturhaftmachung von Gesellschaft" (/1/ 54),
so trifft sie sich mit der marxistischen Aufgabe des gleichzeitig
durchgeführten Humanismus der Natur und des Naturalismus
des Menschen. Der unorganischen Leib des Menschen wird einem menschlicher
Sinn entsprechend (der gerade nicht nur ökonomischer Wert
ist!) gestaltet. Und nur in dem Maße, in dem die Vermenschlichung
der Natur gelingt, kann der Mensch seinen Naturanlagen gemäß
seine eigene Natur produzieren (I.Schmidt /3/ 15).
Dabei geht es also nicht nur um ein Zurück zur "idyllischen
Vergangenheit", sondern vorwärts
zu neuen Ufern! Auch in den indischen Gemeinschaften vollzog sich
eine Entwicklung und kann sich wieder vollziehen. Z.B. führt
gerade auch der Kampf einer Dorfbevölkerung, die sich im
Kampf gegen die Abholzung vereinigt hat zur Entwicklung neuer,
gemeinschaftlicher Kampf- und Lebensformen (Frauen organisieren
Schutzpatroullien, die Haus- und weitere Arbeit dieser Frauen
wird von anderen gemeinschaftlich mit übernommen neue Formen
der Arbeitsorganisation und Lebenskultur).
Diese wieder neu herzustellende Einheit von Menschen und Natur
in Form der schöpferischen Pakrati ist keine esoterische
Abstraktion, sondern ein Alltagsbegriff und Gestaltungsprinzip
des gewöhnlichen Lebens (/1/ 54). Reine Esoterik-Bemühungen
werden ihre Akteure und die Welt also nicht retten.
/1/ Shiva Vandana: Das Geschlecht des Lebens, Berlin
1989
/2/ Die Praxis und das Begreifen der Praxis. Vorträge
einer interdisziplinären Arbeitstagung vom 20. -23. Juni
1984, Kasseler Philosophische Schriften 13, 1985
/3/ Eidam, H., Schmied-Kowarzik, W.: Natur - Ökonomik
- Dialektik. Kasseler Philosophische Schriften 26, Kassel 1989
/4/ Immler, H., Schmied-Kowarzik, W.: Natur und Marxistische
Werttheorie, Kassel 1988
/5/ Werlhof, C.v.: Was haben die Hühner mit
dem Dollar zu tun? München 1991
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siehe auch: