Die Produktionsmittelfrage

Es reicht nicht aus, die wichtigsten Produktionsmittel zu verstaatlichen.

Diese Produktionsmittel, so wie sie technisch gestaltet sind und die Arbeit organisiert ist, nützten uns für unseren ganz anderen Ziele herzlich wenig.

 

Die italienische Gruppe Il Manifesto forderte bereits 1973, Produktionsmittel und Machtinstrumente und die gesamte soziale Realität nicht nur einfach übernehmen zu wollen, sondern sie gezielt zu destruieren und zu rekonstruieren (Rossanda 1976, S. 74).

 

Die jetzigen Autofabriken z.B. haben enorme Überkapazitäten, stellen viel zu viele viel zu schnell verschleißende Fahrzeuge her, was einer Vergeudung menschlicher und ökologischer Ressourcen gleichkommt. Gleichzeitig würden wir zwar nicht unbedingt weniger, aber dafür nach völlig anderen Prinzipien entwickelte Fabriken für regional angepaßte, ökologisch vertretbare und langlebige Fahrzeuge benötigen. Auch die bloße Verstaatlichung der Textilfabriken in Guatemala würde der weltweiten Ausbeutung und ökologischen Vergeudung (Transport) kein Ende setzen, wenn ich hier weiterhin die dort produzierten Textilien benutzen würde. Wir müßten also sowieso eine für uns angepaßte neue Textilindustrie entwickeln und die Menschen in Guatemala könnten ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen. Die sog "komparativen Kostenvorteile" der internationalen Arbeitsteilung sind derzeit lediglich Profitverwertungsvorteile und müßten auf der Gebrauchswertebene völlig neu diskutiert werden.

Bevor wir an die Enteignung und Entmachtung der derzeitigen Machteliten denken, sollten wir nicht vergessen, daß viele Ressourcen mangels profitabler Verwertung brach liegen. "In dem Maße nämlich, in dem immer mehr Regionen und soziale Schichten ihre "Marktfähigkeit" verlieren und damit vom gesellschaftlichen Warenreichtum abgeschnitten werden, drängt sich als einzige wirkliche Alternative auf, wachsende Teile der Reproduktion von den Zwängen des Geldes zu entkoppeln und selbstorganisiert zu betreiben" (Trenkle 1998).

Weite Teile der Weltgesellschaft sind sowieso schon weitgehend von der "globalisierten" kapitalistischen Ökonomie entkoppelt (Afrika, Osteuropa), auch innerhalb der Hochburgen des Kapitalismus werden immer mehr Gebiete und Stadteile sich selbst überlassen (natürlich erst nach ihrer maximalen Vernutzung durch das Kapital). Da wir zur Reproduktion unserer Lebensgrundlagen nicht unbedingt genau die Ressourcen brauchen wie das Kapital, ist diese Hinterlassenschaft für uns nicht unbedingt wertlos. Schon in den 80er Jahren überlegten Beschäftigte in der niedergehenden Werftindustrie in Bremen, daß sie mit den vorhandenen Formwerkzeugen eigentlich auch anderes als nur Schiffsteile bauen könnten, nämlich von ihnen selbst benötigte Dinge (Bettelhäuser, Dunker 1983; Dietz, Grauvogel 1983). Die frühere Firma VOITH wurde von den Beschäftigten übernommen und mit neuen Produkten ("Produktkonversion") erfolgreich weiterentwickelt (Netz 1997).

Es ist möglich, von hier aus die Gesellschaft in Form miteinander assoziierter selbstbestimmter Gemeinschaften neu zu formieren.

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Perspektiven der Rückgewinnung von Lebensressourcen

Es geht nicht nur um irgendwelche hochgestochenen High-Tech-Mittel geht, sondern wir die einfachsten Lebensgrundlagen erst wieder zurückgewinnen müssen.

Angesichts der knebelnden Wirkung der Verschuldung von Staaten (der durch Schuldendienst verkauften Zukunft) ist der Kampf um Entschuldung vielleicht der revolutionärste Kampf der Gegenwart. Auch der Kampf um die Rückgewinnung von Gemeindeland (Allmende) hat größte Bedeutung für die Subsistenzfähigkeit und würde vor Erpreßbarkeit zur kapitalistischen Ausbeutung schützen. Marx betonte die wichtigsten Produktionsmittel, weil er auf hohe Technisierung mit hohen Produktivkräften zur Befreiung der Arbeit und von der Arbeit Wert legt. Andererseits erkannte er als Kern der kapitalistischen Gesellschaft die Trennung der Menschen von ihren Produktionsmitteln. Darauf muß man heute zurückgreifen: die Menschen dürfen nicht substantiell erpreßbar sein, wenn sie sich diesem Ausbeutungsverhältnis entziehen sollen. Diese Erpreßbarkeit beginnt nicht erst mit hochentwickelten Produktionsmitteln, sondern mit den einfachsten Lebensgrundlagen. Eine Wiedergewinnung der Subsistenz ist deshalb vorrangig, "sonst hängen alle Forderungen nach Freiheit, Selbstbestimmung, Autonomie in der Luft" (Bennholdt-Thommsen, Mies, S. 164).


- Aus dem Manuskript des zweiten Bandes zum Buch:
"Daß nichts bleibt, wie es ist..." - Perspektivenkapitel, Stand: Januar 1999 - Literaturangaben in diesem Buch -

 

 

Zu Perspektiven siehe auch:

Ein Aufsatz von Stefan Meretz und mir steht in Open Theory zur Diskussion:
Zwischen Selbstverwertung und Selbstentfaltung
Zum neuen Charakter dezentral-vernetzter Produktionsweisen

 

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